Der Behandlungsfall (1): Beratung/Untersuchung
Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 13 (31.03.2006), Seite A-877
Die Allgemeinen Bestimmungen und die Ausschlüsse der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu einzelnen Gebührenpositionen sind teilweise verwirrend. Besondere Schwierigkeiten bereiten die Einschränkungen zum "Behandlungsfall", der in den Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt B der GOÄ wie folgt definiert ist: "Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes." Der Behandlungsfall selbst, insbesondere der Zeitraum und die Kriterien aus den Allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts B GOÄ werden aus Platzgründen in einem der nachfolgenden GOÄ-Ratgeber ausführlich erläutert. Hier geht es um die Einschränkung der Beratungs- und Untersuchungsleistungen in den Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt B - "Die Leistungen nach den Nummern (Nrn.) 1 und/oder 5 sind neben Leistungen nach den Abschnitten C [ab Nr. 200 GOÄ] bis O im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig" -, die sich als besonders schwierig in der Umsetzung herausgestellt haben. Ein Beispiel soll die Anwendung erläutern:
Ein Student kommt am 13. Januar mit einem neu aufgetretenen grippalen Infekt zum Arzt. Der Patient schildert, dass er sich sehr schlapp fühle, Schnupfen, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen habe, jedoch keine Medikamente einnehmen wolle und nur zum Ausschluss einer Lungenentzündung gekommen sei. Der Arzt auskultiert und perkutiert Herz und Lunge, schaut in den Mund und Rachen und berät den Patienten. Der Blutdruck wird von der Helferin gemessen und ist normal. Der Arzt stellt eine Rhinitis und geringgradige Pharyngitis fest, Bronchitits oder Pneumonie bestehen nicht. Der Arzt kann für diesen Termin die Nrn. 1 (Beratung) und 7 GOÄ (Untersuchung eines vollständigen Organsystems; hier Brustorgane) ansetzen.
Der Patient kommt am 16. Januar wieder in die Praxis und schildert, dass er weiterhin Schnupfen und Halsschmerzen habe und sich schlapp fühle. Die Helferin misst den Blutdruck. Der Arzt auskultiert und perkutiert Herz und Lunge, schaut in den Rachen. Der Herz-Lungen-Befund ist unverändert, lediglich die Pharyngitis hat zugenommen. Der Arzt berät den Studenten kurz. Der Arzt kann in diesem Fall die Nrn. 1 (Beratung) und 7 GOÄ (Untersuchung Brustorgane) ansetzen. Die Nummer (Nr.) 1 GOÄ kann hier angesetzt werden, weil daneben keine anderen Leistungen nach den Abschnitten C (zum Beispiel Verband) bis O (zum Beispiel Röntgen) stehen. Die Nrn. 6, 7 und 8 GOÄ unterliegen keinen Beschränkungen im Behandlungsfall, auch nicht, wenn daneben Leistungen (ab Nr. 200 GOÄ) stehen.
Am 20. Januar stellt sich der Patient erneut vor, weil er glaubt, dass er inzwischen eine Lungenentzündung habe, auch wenn er sich sonst gut fühle. Er erwähnt dabei, dass er nächste Woche eine schwierige Klausur schreiben müsse. Der Arzt auskultiert und perkutiert die Lunge und schaut in den Rachen. Es ergibt sich eine wesentliche Befundbesserung. Er berät den Patienten ausführlich (mehr als 10 Minuten). Der Arzt kann die Nrn. 3 (Ausführliche Beratung) und 5 GOÄ (symptombezogene Untersuchung) ansetzen. Die Kriterien zur vollständigen Untersuchung der Brustorgane nach Nr. 7 GOÄ sind hier nicht erfüllt. Die Nr. 5 GOÄ ist auch bei mehreren symptombezogenen Untersuchungen (Hals, Lunge) nicht mehrfach ansatzfähig.
Dr. med. Anja Pieritz
(in: Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 13 (31.03.2006), Seite A-877)